Die Wüste lebt

Von mehreren Seiten wurde uns empfohlen, ab Swakopmund auf die Jagd nach den „Little Five“ zu gehen. So buchen wir Tommys Living Desert Tour, die allerdings nicht ganz billig ist. Dafür werden wir aber um kurz vor acht an der Campsite abgeholt und nicht nur bis halb zwei unterhalten, sondern haben auch noch Snacks und Getränke inklusive. In gut fünf Stunden wollen wir nun – in Anlehnung an die Big Five – die „Little Five“ der Wüste, die besonders an diese unwirtlichen Lebensbedingungen angepasst sind, entdecken.

IMG_8474

Bei diesigem Wetter und rechtIMG_8271 frischen Temperaturen geht es los. Wir haben einen großen Landrover für uns alleine und werden von einem weiteren Fahrzeug mit fünf anderen Touristen begleitet. Unser Guide spricht hervorragend Deutsch, so dass alle Kinder den Erklärungen gut folgen können. Wir queren das Flussbett des Swakop, senken den Luftdruck der Reifen ab und bekommen zuerst eine kurze, mit Sandskizzen verdeutlichte Erklärung zur Entstehung der Namib, die sich über 2000km Länge von Angola im Norden bis nach Südafrika im Süden Namibias erstreckt und dabei eine maximale Breite von 150 km aufweist.

IMG_8280Dann geht die Fahrt endlich los – nur um nach wenigen Metern schon wieder zu stoppen. Chantal, der Guide des anderen Landrovers, hat offensichtlich etwas entdeckt. Sie springt aus dem Auto, gräbt tief in den Sand hinein und findet – nichts… Da war der unbekannte Wüstenbewohner wohl etwas schneller! Also heißt es wieder einsteigen und weiterfahren. Leider hat sich auch die Sonne noch nicht zu einem Besuch durchringen können, so dass wir in unseren kurzen Hosen ganz schön frieren!

Nur wenige Kurven weiter wird schon wieder angehalten. Alle springen wieder aus den Autos – eine Prozedur, die wir heute noch einige Male wiederholen werden. Was uns wohl diesmal erwartet? Wir versammeln uns um einen kleinen Hügel, der mit losem Buschwerk bewachsen ist und gucken alle angestrengt in den Sand. Außer Sand sehen wir aber mal wieder nichts! Erst als der Guide mit dem langen HakenIMG_8288 vorsichtig nachhilft, entdecken wir die erste der Littel Five: Eine Sidewinder-Schlange – genau genommen die Namibviper oder auch Zwerpuffotter – die sich mit Seitwärtsbewegungen über den Sand bewegt und so nur mit maximal 50% ihrer Unterseite den heißen Boden berührt. Die Namibotter ist giftig, ihr Gift besteht aus einer Kombination von IMG_8298Nerven- und Gewebegift – wir haben Respekt und halten großzügigen Abstand. Dieses Tier trinkt nie und überlebt nur durch die Körperflüssigkeiten seiner Opfer. Nachdem die Schlange wieder auf dem Sand sitzt, können wir zuschauen wie sie sich blitzschnell wieder im Sand vergräbt und eigentlich nicht mehr zu sehen ist (außer den Augen, die oben auf dem Kopf sitzen)

IMG_8296 – na, gefunden???

Weiter geht es, wieder springen alle in die Autos  – und nach 20 Metern wieder heraus. Zu sehen IMG_8310gibt es ein Loch im Sand. Naja, nicht so spannend – aber die Geschichte dazu macht neugierig: hier wohnt die Dancing White Lady (Nr. 2 der Little Five), die einen 30cm tiefen Seidentunnel in den Sand baut, dort unten sitzt und „Anker“ an die Sandoberfläche auswirft, um Nahrung zu fangen. Wenn man genau hinschaut, kann man rund um das Tunnelloch kleine klebrige Punkte erkennen. Die Spinne selbst wird – anders als in der Vergangenheit – nicht mehr zur Demonstration ausgegraben, da neueste Forschungen ergeben haben, dass sie dann nicht mehr vor der Schwarzen Wespe sicher ist und gerne gefressen wird. So begüngen wir uns mit dem Loch und dürften einen kleinen Teil des Tunnels anfassen, der sich tatsächlich sehr glatt und seidig anfühlt.

Aus dem Auto heraus können wir anschließend Wüstenameisen beobachten – sie gehören zwar nicht zu den Little Five, bieten uns aber mit den mitgebrachten Mehlwürmern ein spannendes Rodeo. Der nächste Stopp findet am Kamm einer Dünen statt – hier ist erst einmal Action angesagt!!!

IMG_8361 IMG_8374

IMG_8317Danach gräbt Chantal Nr. 3 der Little Five aus: den Palmatogecko, der eine sehr dünne, durchsichtige Haut hat und extrem stark auf UV-Licht reagiert. Bekommt er zu viel Strahlung ab, verfärbt er sich dunkel – also schnell wieder ab mit ihm unter den Sand. Nicht zu unrecht ist er ein nachtaktives Tierchen – aber ein sehr hübsches! Mit seinen schwimmflossenartigen  Beinen kann er sich schnell und tief in den Sand eingraben.

IMG_8326Und auch Nr. 4 ist schon am Start: die Wüsteneidechse, die am steilen Dünenhang lebt und sich in affenartiger Geschwindigkeit auf dem Sand bewegt oder auch einbuddelt. Deswegen wird sie von den Guides gerne als Ferrari-Lizzard bezeichnet.

IMG_8353Jetzt fehlt nur noch der Fünfte im Bunde der Little Five, und auch der ist schnell gefunden: Das Wüstenchamäleon ist nämlich IMG_8436relativ ortsgebunden und hält sich vorwiegend in einem festen Revier auf – in diesem Fall in einem einzelnen niedrigen Strauch. Mit etwas Futter wird es auf den Sand gelockt und präsentiert sich in dunkelgrau. Gerne nimmt es die mitgebrachten Mehlwürmer an – wie der dicke Bauch zeigt, waren es nicht die ersten…

IMG_8407 IMG_8438Wir erfahren außerdem, dass das Chamäleon verschiedene Strategien hat, um nicht gefressen zu werden: Zum einen geht es auf dem Sand mit ruckartigen Einzelbewegungen voran, so dass ein Greifvögel es aus der Luft für einen Ast hält, der sich im Wind bewegt. Außerdem kann es die der Sonne zugewandte Seite des Körpers schwarz färben, damit es in Kombination mit dem Schattenwurf auf der anderen Seite wie ein flacher Stein  wirkt – schon sehr interessant,

IMG_8440Nun haben wir die eigentlichen Little Five der Namib schon gesehen, aber es leben natürlich noch mehr kleine Tiere hier. Wir haben Glück und finden außerdem noch einen Fitzsimons Skink, eine beinlose Echse, die wie eine Schlange aussieht und durch einen ganz glatten gewachsten Körper im Prinzip durch den Sand schwimmen kann. Die Echse ist blind und orientiert sich nur an den Vibrationen ihrer Opfer im Sand. Wir dürfen sie alle anfassen und sind erstaunt, wie herrlich glatt sie sich anfühlt.

IMG_8465 IMG_8467

Auch der Nebeltrinkerkäfer, auch KopfstandIMG_8468käfer genannt, läuft – oder besser krabbelt – uns über den Weg. Er nimmt 40% seines Körpergewichts an Wasser auf – aber woher in der Wüste? Ganz einfach: er macht morgens, wenn der Küstennebel in der Namib hängt oder auch einfach die Luftfeuchtigkeit kondensiert, Kopfstand und lässt so das Wasser an seinem Körper entlang in seinen Mund laufen.

Und weil heute unser Glückstag ist, werden wir auch noch Zeugen einer spannenden Jagd: plötzlich stoppen die Geländewagen, unsere Guides springen heraus und rennen wie angestochen durch die Wüste. Wir sind etwas verunsichert und bleiben erst einmal sitzen, bis die beiden zurückkehren und triumphierend eine lange, dünne Schlange hochhalten. Es handelt sich um eine Namib-Sandschlange, die bis zu 1,40m lang wird und sich von anderen Schlangen und kleinen Reptilien ernährt, für den Menschen aber ungefährlich ist. So dürfen alle einmal in den Genuss einer Schlange in der Hand (oder auch um den Hals) kommen:

IMG_8485 IMG_8490 IMG_8493

Zum krönenden Abschluss findet unser Guide noch einen toten Skorpion auf dem Weg, derIMG_8540 kurzerhand aufs Armaturenbrett gesetzt wird. Locker-flockig erzählt der Wüstenkundige uns, dass dies ein haariger Dickschwanzskorpion ist, der giftigste seiner Art in Namibia (Zitat: „He kills 3 of 4 – the black mamba kills 4 of 4!“). Diese Aussage verstehen alle Kinder auch ohne Übersetzung und rechnen schnell den Prozentsatz der Überlebenswahrscheinlichkeit aus – sieht bei beiden nicht gut aus… Besonders prickelnd wird die Situation aber, als der Guide den Skorpion auf seiner Handfläche der etwas erfahreneren Kollegin präsentiert, die nur locker bemerkt: „He´s not dead… He´s only very dry an can´t move!!“ Auch dieser Satz braucht für keinen übersetzt zu werden, schnell treten wir alle einen Schritt zurück und überlegen uns, ob das Tragen von Schuhen nicht doch empfehlenwert wäre. Chantal erläutert, dass vor allem kleine Kinder und ältere Menschen einen Stich dieses Tieres wahrscheinlich nicht überleben würden und allen anderen ein schneller Ausflug auf die Intensivstation garantieren wäre. Zudem sei er extrem schmerzhaft – so als wenn 80 Wespen auf einmal zustechen, und das für Tage… na vielen Dank, das brauchen wir nicht wirklich! Der Skorpion wird in den Schatten gesetzt und mit etwas Wasser beträufelt – und tatsächlich, nach einiger Zeit bewegt er sich und gräbt sich dann ein.

Nach diesen teilweise doch sehr unangenehmenIMG_8557 Wüstenbewohnern treffen wir nun noch auf eine Vogelmutter, die die täglichen Besuche der Tourguides inzwischen so gewohnt ist, dass sie sich aus der Hand füttern lässt- und das ganz ohne Gefahr!

IMG_8550

Nach so viel Biologie ist nun noch etwas Physik an der Reihe: unsere Guides stellen sich barfuß auf eine kleine, schwarzgelbe Düne und messen mit einem digitalen Thermometer die Sandtemperatur: von 59.9° an der Oberfläche (Aua!) sinkt diese ganz schnell auf um die 35° in 15cm TIefe – jetzt kann jeder nachvollziehen, warum sich die meisten Tiere tagsüber eingraben! Danach fährt Chantal mit einem starken Magneten über den Sand und extrahiert so das enthaltene Eisen, das sich als schwarzer Igel auf dem Arm bewegen lässt.IMG_8572Glücklicherweise lohnt sich der industrielle Abbau wirtschaftlich nicht, sonst würde die Namib hier sicher nicht mehr so unberührt aussehen!

Nach so viel spannendem Unterricht darf natürlich auch der Spaß nicht zu kurz kommen: jetzt geht es mit den beiden Landrovern steile Dünen hinauf und hinab, es ist wie Achterbahnfahren, nur viel besser! Rubens Gesichtsausdruck spricht Bände,

IMG_8587aber viel besser lässt sich das doch in bewegten Bildern vermitteln:

Es war eine sehr gelungener und empfehlenswerter Ausflug, wir sind wirklich froh, das wir Tommys Living Desert Tour gemacht haben!

IMG_8600