Kalahari – vom Traum zum Albtraum

Jeder, der in den 80er Jahren eine deutsche Bildungsanstalt besucht hat, wird ihn aus unzähligen Vertretungsstunden kennen: den Film „Die lustige Welt der Tiere“. Die betrunkenen Affen und liebestollen Löwen, die heldenmutige Entenmutter und die großen, Bäume umwerfenden Elefantenherden – all das wurde in der Kalahari gedreht. Und davon träumen  wir hier in Botswana: eine Tour durch die häufig als Wüste bezeichnete Trockensavanne der Kalahari.

Der Plan: mit Ruth und Walter aus der Schweiz wollen wir den Kalahari Nationalpark von Ost nach West durchqueren, um dann gemeinsam einen Wildernesstrail im Kgalagadi-Transfrontier-Park zu befahren.  Die beiden sind in einem Landcruiser mit einer Aufsetzkabine unterwegs und wollen – ebenso wie wir – aus Sicherheitsgründen nicht alleine in einen Park fahren. In Maun buchen wir die nötigen Camps vor, zahlen die Eintrittsgebühren (Grüdi ist mal wieder mit Abstand das teuerste Familienmitglied…)DSC03991-001 und fahren bis nach Rakops. Dort wollen wir noch tanken und die letzten Vorräte einkaufen – Diesel gibt es aber leider seit vier Wochen nicht mehr, so dass wir nur etwas Brot und Wasser erstehen können. Von hier geht es 40 km über eine Sandpiste bis zum Gate. Die Piste ist allerdings nicht zu erkennen – im Grunde ist sie ein einziger See… Auf sandigem Untergrund lässt DSC04006-001sich diese Etappe aber gut fahren, so dass wir im Spätnachmittag einige Kilometer vor dem Gate ankommen und einen Übernachtungsplatz finden. Wären wir nicht mit zwei Autos unterwegs, hätten wir vermutlich jetzt schon umgedreht – mit diesem Gedanken schlafen wir bei Gewitter ein.

Am nächsten Tag geht es auf in den Park. Wir fragen die Ranger am Eingang noch mehrfach, ob die Pisten für uns ein Problem werden könnten, werden aber lediglich auf eine Stelle in Richtung Parkausgang hingewiesen, an der im vergangenen Jahr einige Fahrzeuge stecken geblieben seien. Aus dem Reiseführer wissen wir, dass der Park in der Regenzeit besser zu befahren sein soll, da feuchter Sand deutlich fester ist. Außerdem sollen die Tierbeobachtungsmöglichkeiten von November bis April optimal sein –  die Vorfreude steigt!

Auf den ersten 40 km IMG_7763-001passiert aber gar nichts: wir rollen weiterhin von Matschloch zu Matschloch, rechts und links des Weges stehen Bäume und Sträucher, von Tieren keine Spur. Halbwüste oder Trockensavanne hatten wir uns anders vorgestellt! Gegen Mittag erreichen wir endlich die Deception Pan, eine weite, mit halbhohem Gras bewachsene Salzsenke. Das sieht schon eher nach Kalahari aus! Wir genießen den Blick in die Weite,

IMG_7779-001treffen auf ErdhörnchenDSC04013-001

IMG_7786-001und machen auf Grüdis Dach eine ausgiebige Mittagspause. DSC04053-001DSC04048-001Das erste Gnu taucht auf, eine Herde Oryxantilopen kreuzt unseren Weg und wir sehen einen kleinen Schakal neben der Piste.

DSC04086-001DSC04061-001 DSC04069-001 DSC04096-001Etwa drei Kilometer entfernt soll IMG_7794-001laut Gamedrive-Fahrer, der uns begegnet, ein Löwe liegen – leider ist der Weg dorthin so schlammig, dass wir es nicht wagen…

So fahren wir noch etwas in der Gegend herum, suchen Großwild und richten uns dann auf unserer Campsite ein.

IMG_7802-001Nach einer ruhigen Nacht (wir hören nur ein Mal Löwengebrüll in der Ferne) starten wir in der Früh um sechs zum ersten Gamedrive – morgens sieht man bekanntlich die meisten Tiere!

DSC04136-001Das beschränkt sich in unserem Fall allerdings auf die schon bekannten Oryxantilopen, Springböcke, Schakale und diverses Federvieh – wo sind die Geparden, Löwen und Leoparden bloß? Wir sehen so viele riesige Herden, das ist schon ein wirklich tolles Bild (und wäre ein leckeres Mittagessen für so einige der Mitbewohner…)

DSC04168-001 DSC04162-001 DSC04183-001 IMG_7851-001 DSC04215-001Spannender als die wilden Tiere sind jedoch die Wassermassen auf den Wegen – das hatten wir so definitiv nicht erwartet!

DSC04203-001Immerhin finden wir noch etwas Dekorationsmaterial für Grüdi:IMG_7864-001IMG_7860-001 Als wir gerade wieder neben einer der großen Salzpfannen fahren, passiert es: Grüdi sackt nach links weg! Jochen versucht noch, rückwärts wieder auf den Weg zu kommen, aber wir graben uns nur weiter ein. War ja irgendwie zu erwarten!

DSC04219-001Also heißt es Sandbleche vom Dach holen,DSC04220-001

DSC04222-001Schaufeln auspacken…DSC04232-001 und buddeln, was das Zeug hält!

DSC04228-001Mit vereinten Kräften gelangen wir schließlich wieder auf den Weg, nur um zweihundert Meter weiter…DSC04240-001…wieder fest zu stecken!! Mist!!

DSC04259-001Jetzt sind wir aber schon richtig in der Übung und binnen 20 Minuten wieder auf dem Weg. Die Stimmung ist trotzdem etwas angekratzt, es ist mächtig heiß und alle freuen sich, dass wir drei Kilometer weiter unser Nachtlager erreichen. Am nächsten Morgen wollen wir wieder um sechs Uhr starten, da wir über 120km bis zum Gate fahren müssen. Dank massiver Ameisenangriffe auf der Campsite sind wir früh im Bett und hören nachts den Regen prasseln.

Wie besprochen geht es um sechs Uhr weiter, es tröpfelt noch und ist ziemlich grau. Wir sind DSC04271-001gut gelaunt, da wir die Salzpfanne verlassen haben und der Weg – wie auch schon am Vortag – durch dichtes Gestrüpp führt. Die Spuren stehen unter Wasser, aber das ist ja nichts Neues für uns. Umso erschrockener sind wir, als Grüdi nach knapp einem Kilometer Fahrt nach rechts wegrutscht – es ist nicht zu fassen, wir stecken schon wieder! Und dieses Mal haben wir kein Gras, sondern Wasser und Schlamm um uns herum!

DSC04275-001 DSC04290-001 DSC04293-001Zu allem Überfluss beginnt es auch noch zu schütten, so dass wir erst einmal frühstücken und dann mit der Befreiung beginnen wollen. Wir buddeln, holen die Sandbleche vom Dach und versuchen, uns freizufahren – vergebens. Nach zwei Stunden kommt ein Hilux voll mit Holländern, die ebenfalls versuchen, uns herauszuziehen – vergebens. Etwas später geschieht dasselbe mit einem Fahrzeug eines Safarianbieters – und es fährt sich auch noch fest! Wir haben keinerlei Kontaktmöglichkeit, Mobilnetz gibt es nicht, nicht mal der Funk des Gamedrivers funktioniert – hoffentlich sagen die Holländer wie versprochen am Gate Bescheid! Den ganzen Tag verbringen wir mit Buddelei, Seilwindenversuchen und vielen vergeblichen Anläufen – alles umsonst. Erstmals sind wir froh, keine Löwen oder ähnliches gesichtet zu haben, denn wir müssen uns ziemlich weit vom Grüdi entfernen. Die Kinder werden super von Ruth versorgt, sie kocht ihnen Nudeln, backt Kuchen und spielt mit ihnen. So vergeht die Zeit, wir warten auf Hilfe und fühlen uns ziemlich machtlos.

Am Nachmittag des zweiten Tages – wir hatten die Hoffnung fast sRachon aufgegeben – kommt um vier Uhr endlich ein Fahrzeug mit fünf Rangern. Sie beginnen, etwas zu buddeln und wollen uns mal eben herausziehen und am selben Abend noch zum Gate bringen. Am Ende der Bemühungen stecken wir tiefer im Schlamm als je zuvor, aber die DSC04305-001 DSC04323-001Ranger versprechen, am nächsten Tag mit einem neuen Plan und einem Traktor wieder zu kommen.

Tag drei: Jochen schafft es unglaublicherweise,DSCI0034-001 Grüdi mit zwei Wagenhebern so weit aufzubocken, dass wir Holz und Steine unter die Hinterräder stopfen können. Judith und Walter schaffen mit Rubens HIlfe jede Menge Steine heran, halbe Bäume werden gefällt – es ist sehr anstrengend! Aber wir können nicht einfach untätig herumsitzen, das würde uns noch mehr in den Wahnsinn treiben! Am Nachmittag haben wir Grüdi so weit angehoben, dass er fast gerade steht – jetzt fehlen nur noch die Ranger und das Zugfahrzeug! Leider kommen sie aber nicht, und am Abend zieht ein Riesengewitter auf und macht alle Arbeit wieder zunichte…DSC04329-001

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Es regnet die ganze Nacht, und am DSCI0040-001Morgen des vierten Tages stehen wir wieder genauso tief im Schlamm wir zu Beginn. Es ist zum Heulen! So langsam gehen uns die Lebensmittelvorräte und das Wasser aus, wir können maximal noch zwei Tage hier bleiben! Wo zum Teufel sind die Ranger??? Wir sind erstaunt, wie gut die Kinder mit der Situation klar kommen – vielleicht überblicken sie aber auch nicht wirklich die Konsequenzen, die uns drohen könnten. Falls es so weiter regnet, müssen wir uns für eine lange Zeit ein Alternativfahrzeug organisieren…

Gegen Mittag am vierten Tag  – die Kinder haben gerade aus den letzten Eiern Berge von Pfannkuchen gebacken – steht plötzlich ein weißes Auto da. Sind das etwa die Ranger? Nein, die Insassen sehen etwas blass aus, und Ranger würden wohl kaum Deutsch reden… Es sind Betti und Klaus, die für drei Monate im eigenen Geländewagen unterwegs sind und erst einmal ihr Satellitentelefon herausholen, um bei der Parkverwaltung anzurufen. Deren Auskunft: der Rettungstruck, der gestern für uns losgefahren ist, ist auch stecken geblieben – wir sollen weiter warten… Die beiden bleiben bei uns, wir starten nach weiterer Arbeit noch einen letzten (frustranen) Freifahrversuch und beschließen dann schweren Herzens, am nächsten Morgen Grüdi stehen zu lassen und gemeinsam mit zwei Fahrzeugen zum Gate zu fahren. Wir packen die wichtigsten Sachen, Zelt und Schlafsäcke sowie alle Dokumente zusammen und verbringen einen sehr deprimierten letzten Abend im Grüdi. Aus dem Kalaharitraum ist wirklich ein Alptraum geworden!

Um acht in der Früh am Tag fünf verlassen wir unser treues Mobil und stellen schon nach einigen hundert Metern fest, dass die Pistenverhältnisse dank des vielen Regens noch viel DSC04378-001schlimmer geworden sind. Hier wären wir niemals weiter gekommen! Auch Walter fährt sich zwischendurch fest – wo kommt nur das ganze Wasser her??? Einziger Lichtblick sind drei Geparden, die wir im halbhohen Gras entdecken.

Nach vier Stunden haben wir 80 km hinter uns gebracht und erreichen die Deception Pan. Auch hier sieht es viel nasser aus als vor einigen Tagen, und am Rand der Piste steht eine Truppe von drei Geländewagen. Die südafrikanisch-kanadische Truppe hat gerade beschlossen, aufgrund des Matsches wieder zurück zum Gate zu fahren, so dass wir mit fünf Fahrzeugen im Konvoi fahren können. Endlich, gegen 16:00 Uhr, erreichen wir das Gate und können den Rangern mitteilen, dass wir uns selbst aus dem Park „gerettet“ haben. Flugs wird der Helikopter, der uns am nächsten Morgen ausfliegen(!) sollte, wieder abbestellt – zum Glück, denn das wäre sicher sehr teuer geworden!!! Wir werden von J.P. und Regine aus Kanada und den Südafrikanern extrem aufgemuntert und verpflegt, denn wir haben ja nichts dabei – ihre Gastfreundschaft ist wirklich umwerfend! Im Camp können wir das Dreimannzelt aufbauen (ganz schön eng), und glücklicherweise können Lea und Marie bei Ruth und Walter im Landcruiser schlafen. Wir erfahren, dass ein weiterer Rettungstruck unterwegs ist, angeblich von der Armee, um den ersten Truck und weitere festgefahrene Fahrzeuge zu bergen.

DSC04385-001Am nächsten Morgen bleibt Jochen am Gate, während Judith mit den Kindern und dem Schweizerisch-Deutsch-Kanadischem Rettungsteam die letzten 40km nach Rakops fährt. Dort wird sie an einem Motel abgesetzt, so dass Ruth&Walter sowie Betti&Klaus ihre Reise fortsetzen können. Jochen wird von den Südafrikanern, die glücklicherweise am Park bleiben, bemuttert und startet gegen 14:00 Uhr zur Rettungsmission – allerdings nicht mit dem Militär, sondern mit einem Unternehmen. Sie DSCI0046-001versuchen, einen Geländewagen und den ersten Truck aus dem Schlamm zu ziehen – vergeblich. Dann wollen die Ranger noch im Dunkeln zu Grüdi fahren, entscheiden aber doch anders und kommen zum Gate zurück. Am nächsten Morgen um fünf soll es wieder losgehen (Jochen steht bereit und wird trotz nachtschlafender Zeit von den Südafrikanern mit Kaffee versorgt!), um sechs gehts dann tatsächlich los – dieses Mal direkt zu Grüdi. Erst läuft alles super, aber DSCI0055-001dann kommt die Stelle, an der wir uns zum ersten Mal fest gefahren haben… Die Ranger wählen eine andere Spur – und bleiben keine zehn Meter hinter unserem „Loch“ im Matsch stecken!!! Es sind nur noch vier Kilometer bis zu Grüdi, aber zwei Rettungsfahrzeuge stecken nun im Matsch! Alle Befreiungsversuche scheitern! Schließlich fahren zehn Ranger in zwei Begleitfahrzeugen zu Grüdi, buddeln noch ein wenig, und dann schafft Jochen es tatsächlich – vor allem dank des seit zwei Tagen trockenen Wetters – Grüdi aus DSC04387-001eigener Kraft zu bergen!!! Es geht zurück zum Gate und von da am nächsten Tag nach Rakops, wo Judith und die Kinder sehnsüchtig warten. Wir sind überglücklich, dass wir alle wieder zusammen sind – im Nachhinein ist es ein spannendes Abenteuer gewesen, aber noch einmal brauchen wir so etwas sicher nicht!!!