Äthiopien – Naturparadies mit Menschenmassen

– das sind unsere ersten Eindrücke, die wir von diesem Land bekommen. Der Geländekante, die weitgehend die natürliche Grenze zwischen dem Sudan und Äthiopien bildet, markiert auch eine Lebensraumgrenze. Sind wir im Sudan noch durch weite Flächen mit sehr wenigen Menschen gefahren, so ändert sich dieses mit dem Grenzübertritt in das äthiopische Hochland schlagartig. Überall sinddsc02368 Menschen und Tiere, vor allem auf und direkt neben der Straße. Die Bedingungen für die Landwirtschaft sind hervorragend: tagsüber um die 25° C, nachts angenehme 10° C und ausreichend Regen, so dass wir viele Felder, vor allem mit Hirse und Tef (einer Getreideart), rechts und links der Straße sehen – allerdings alle klein parzelliert. Trecker oder gar Mähdrescher dsc02371kommen hier nicht zum Einsatz, alles wird per Hand bearbeitet. Die Landschaft beeindruckt durch hohe Tafelberge mit tiefen Schluchten, Canyons und Geländeabbrüchen so wie Vulkanreste. Alles ist herrlich grün, darüber erstreckt sich der strahlend blaue Himmel mit einigen Wölkchen – wirklich paradiesisch, vor allem nach sechs Wochen Wüste.

Wir haben aber kaum die Muße, diese fantastischen Ausblicke zu genießen, da wir beim Fahren permanent höllisch aufpassen müssen, um niemanden zu überfahren. Hier spielt sich das Leben wirklich auf der Straße ab: Kuh- und Ziegenherden werden getrieben – häufig auch von kleinen Kindern, die kaum das Grundschulalter erreicht haben -, Menschen sitzen oder liegen auf der Straße, Esel und Hunde queren spontan die Fahrbahn und viele Menschen laufen. In beide Richtungen. Kilometerweit. Es ist unvorstellbar – wir hatten ja schon viel davon gehört bzw. gelesen, es uns aber nicht so extrem vorgestellt. Wir fallen mit unserem Auto und unserer Hautfarbe natürlich sofort als „Ferengi“, also als Fremde, auf und werden, sobald wir anhalten, dsc02313von Menschen umringt, angefasst und angebettelt. Die Kinder stehen am Straßenrand, kreischen und rufen „You You You You You“, „Pen Pen Pen Pen Pen“ oder „Money Money Money“ – wir vermuten, dass dieses Verhalten das Resultat jahrzehntelangen gönnerhaften Verhaltens der Touristen ist. Das kann nicht der richtige Weg sein, den Menschen aus der offensichtlichen Armut heraus zu helfen! Sobald wir auf einem vermeintlichen menschenleeren Stück Land zwischen zwei Dörfern halten, stehen innerhalb von spätestens zwei Minuten mindestens fünf Kinder um uns herum, gucken und betteln.

Die Dörfer und Städte selbsdsc02446t bestehen in der Regel aus einer Durchgangsstraße, an der sich einfachste Bretterbuden mit Wellblech- oder Strohdächern aneinander reihen. Die Armut ist deutlich sichtbar – ob die Menschen Hunger leiden, können wir allerdings nicht beurteilen. Eigentlich sind die natürlichen Voraussetzungen für die Landwirtschaft sehr gut, so dass ausreichend Grundnahrungsmittel vorhanden sein müssten.

Während unserer langen Fahrzeiten, die wir aufgrund der Fülle von Menschen auf den Straßen und der vielen Schlaglöcher auf einigen Strecken haben, stecken wir häufig in einem Gefühlschaos. Gerne möchten wir nicht nur die wunderschöne Landschaft genießen, sondern auch mit ihren Bewohnern in Kontakt treten. Das ist aber extrem schwierig, da wir – aus der Sicht dieser Menschen – extrem reich sein müssen (was wir in äthiopischen Verhältnissen wahrscheinlich auch sind) und ergo nur als Geldquelle angesehen werden. So ist die Gesprächsbasis – wenn denn jemand Englisch spricht – sehr dünn. Zudem empfinden wir natürlich besonders mit den Kindern Mitleid, würden ihnen gerne etwas geben, wollen aber natürlich die Bettelei und Abhängigkeit nicht weiter fördern. Das tut weh! Auf der anderen Seite werden wir durchaus sauer, wenn sich Jugendliche in völliger Distanzlosigkeit neugierig an unsere Türen hängen, diese sogar öffnen oder uns mit Steinen bewerfen. So ein Verhalten haben wir im Sudan, wo es auch viele sehr arme Menschen gibt, nicht erlebt. Außerdem sehen wir auch hier, in einem sehr armen Land, viele hochpreisige Geländewagen (z.B. Landrover oder Landcruiser), die man in Deutschland unter 80.000,- € nicht kaufen kann. Es gibt also hier auch durchaus Menschen, die sich diesen Luxus leisten können – sie werden aber überhaupt nicht angebettelt – das macht uns zornig!

So verbringen wir die Tage hier im Land vor allem damit, von einem Ort zum nächsten zu gelangen, aus der sicheren Höhe des Fahrerhauses die Ausblicke zu genießen, immer freundlich zu winken, aber bloß nicht anzuhalten. Zudem haben wir immer im Hinterkopf, dass in Äthiopien Mitte Oktober der Ausnahmezustand verhängt wurde, nachdem die Proteste der Opposition das öffentliche Leben lahmzulegen drohten. Obwohl wir von diesem Ausnahmezustand  – abgesehen von vielen bewaffneten Männern und kaum funktionierendem Internet – im Alltag nichts mitbekommen, fühlen wir uns nicht hundertprozentig wohl und wollen das Land relativ zügig durchqueren.