Kurz vor Aus erreichen wir endlich wieder Asphalt, was vor allem Jochen erleichtert, da Grüdis Staukisten fast abzufallen drohen. Quer durch die Namib geht es von 1000 müNN gut 100 km nach Westen an den Atlantik, wo mit dem Städtchen Lüderitz wiederum – wie schon in Swakopmund – ein sehr deutsch geprägter Ort auf uns wartet. Wir quartieren uns auf dem städtischen Campingplatz auf der „Shark Island“ ein – Haie suchen die Kinder im Wasser aber vergeblich. Dafür bläst uns ein heftiger Wind um die Ohren, der jegliche Mahlzeitenaufnahme im Freien unmöglich macht und Grüdi ganz schön durchschüttelt.
Die Insel ist dank einer kleinen Felsaufschüttung keine Insel mehr, aber trotzdem sind wir zu drei Seiten von Meer und Hafen umgeben. Die Kinder haben einen Riesenspaß auf und zwischen den Felsen, sie suchen sich Wohnkuhlen und klettern an fragwürdigen Seilen auf und ab.
Abends legt sich der Wind etwas, so dass wir zumindest den Sonnenuntergang genießen können.
Das Städtchen bietet viele deutsche Kolonialbauten, teilweise sehr gut erhalten. Wir machen einen langen Rundgang und suchen dabei vergeblich einen Händler, der uns Winkeleisen zwecks Grüdireparatur verkaufen kann.
Vorbei an alten Wohnhäusern geht es hoch zur Evangelischen Felsenkirche, von der man einen tollen Blick auf die Lüderitzbucht hat.
Direkt unterhalb der Felsenkirche liegt das Goerke-Haus, in dem der Geschäftsführer der Diamantenwerke um 1910 nur für zwei Jahre wohnte. Heute ist es renoviert und dient u.a. als Gästehaus der staatlichen DIamantengesellschaft.
Gut erhalten ist auch die Turnhalle des Deutschen Männerturnvereins – so eine ähnliche Halle steht ja zu Hause auch noch und wird gerade umstritten diskutiert… 🙂
Die Waterfront des neuen Fischerei- und Industriehafens wird vom Woermann-Haus überblickt – dieser Hamburger Handelsname ist uns auch schon in Swakopmund begegnet.
Gut zehn Kilometer landeinwärts befindet sich die Geisterstadt Kolmanskuppe. Sie liegt direkt an der Einsenbahnlinie die um 1910 in zehnmonatiger Bauzeit entstand (interessanterweise benötigt die staatliche Bahngesellschaft für den Wiederausbau der Strecke im 21. Jahrhundert über zehn Jahre… vielleicht wird es 2018 was…). Während des Eisenbahnbaus fanden Arbeiter hier glitzernde Steinchen im Sand, die sich als lupenreine Rohdiamanten erwiesen.
Heute kann man die Stadt, deren letzte Bewohner 1956 wegzogen, in den Vormittagsstunden besichtigen und bekommt dann auch eine Führung mit vielen interessanten Informationen. Die meisten Gebäude sind verfallen und der Wüste ausgesetzt, einige wurden aber auch wieder hergestellt, so dass man sich gut in die Lebensumstände Anfang des 20. Jahrhunderst hineinversetzen kann. Mit deutscher Gründlichkeit wurde damals die Versorgung der 300 deutschen Angestellten gesichert – ob die 800 schwarzen Arbeiter auch ähnlich gut gestellt waren, ist eher fraglich. So erhielt jeder Haushalt morgens eine Kiste Wasser, eine Kiste Limonade und einen halben Meter Eis für den Kühlschrank – frei Haus geliefert mit der pferdebetriebenen „Straßenbahn“!
In der ehemaligen Einkaufsstraße der Siedlung befanden sich neben Schlachterei, Bäckerei und Gemischwarenladen auch das Wohnhaus der Ladenbesitzerin, das heute fast original wieder eingerichtet ist.
Die Rückseiten der Gebäude hat sich die Wüste allerdings schon zurückerobert – in diesem Hof wird es eng für Tier und Mensch…
Für die Bewohner der Stadt wurde in deutscher Gründlichkeit natürlich ein Krankenhaus eingerichtet, das über 250 Betten verfügte und den ersten Röntgenapparat des südlichen Afrikas besaß! Hier versahen zwei Ärzte ihren Dienst, die der festen Überzeugung waren, dass es der Genesung der Patienten zuträglich wäre, wenn sie (die Patienten, nicht die Ärzte…) täglich ein Glas Wein konsumierten. Aus diesem Grund hatte das Krankenhaus sogar einen eigenen Weinkeller!
Aber auch hier hat der Sand Einzug gehalten – der lange Flur ist noch begehbar, aber in den Krankensälen wird es eng für die Betten:
Oberhalb der Ladenzeile verläuft die Kaiser-Wilhelm-Allee, an der die Führungkräfte und Akademiker von Kolmanskuppe residierten – auch die Straßenführung hat allerdings der Sand verschluckt…
Neben dem Lehrer, der sich noch mit einem einstöckigen Gebäude begnügen musste, wohnten hier der Architekt, der Buchhalter, der Ingenieur, der Quartiermeister und natürlich – im ersten Haus am Platz – der Minenverwalter
Aber auch vor der besten Adresse macht der Sand nicht halt :
– nur die aus Italien importierte Marmorbadewanne ist dank ihrer Lage im ersten OG noch weitgehend sandfrei…